Geschichte

Vom Bergdorf zur Ski-Metropole

Wie Ischgl Weltklasse wurde
Verfasser
Team TVB
Veröffentlicht am
27. Dec 2024
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Von Schmugglern und ersten Visionen

Das Paznaun, einst eines der ärmsten Täler Tirols, war Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt von Abgeschiedenheit und karger Landwirtschaft. Ischgl, ein kleines Bergdorf, lebte von Viehzucht und etwas Handel. Schmuggel spielte in der Region eine wichtige Rolle: Über die verschneiten Pässe transportierten Bewohner Waren wie Kaffee oder Zigaretten ins zollfreie Samnaun. Dabei dienten Skier, damals einfache Holzbretter ohne Kanten, vor allem als Fortbewegungsmittel, nicht als Sportgerät.

In den 1920er-Jahren veränderte sich langsam die Perspektive. Mit der Gründung eines Skiclubs wurden die ersten Schritte hin zu einem organisierten Wintersport gemacht. Skilehrer wie Erwin Aloys und Bruno Aloys erkannten das touristische Potenzial des Skifahrens und führten erste Skikurse durch. Bereits 1929 wurde die Skischule Ischgl ins Leben gerufen, ein wichtiger Meilenstein für die touristische Entwicklung des Dorfes.

Doch der Weg zur erfolgreichen Wintersportdestination war steinig. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Tourismus brach. Ischgl, wie viele Orte in Tirol, kämpfte mit Armut und dem Wiederaufbau. Trotzdem begannen Visionäre wie Erwin Aloys, mutige Pläne zu schmieden.

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Der Traum von der Seilbahn

Die Idee einer Seilbahn war revolutionär. Die Idalp, vier Kilometer vom Dorf entfernt, war zwar ein landschaftliches Juwel, aber schwer zugänglich. Dort ein Skigebiet zu schaffen, erforderten nicht nur Phantasie, sondern auch erhebliches Durchhaltevermögen.

1950 wurde erstmals der Bau eines Skilifts diskutiert, doch die Vision war noch nicht ausgereift. Erst Anfang der 1960er-Jahre formte sich ein konkreter Plan: Die Silvrettaseilbahn AG wurde 1961 von 73 mutigen Teilhabern gegründet. Diese sammelten die damals beachtliche Summe von 6.671.000 Schilling (etwa 485.000 Euro), um den Bau der Seilbahn zu finanzieren.

Die logistischen Herausforderungen waren enorm. Das Zugseil der Bahn war 9.000 Meter lang und brachte ein Gewicht von 130 Tonnen mit sich. Sämtliche Holzbrücken auf der Zufahrtsstraße ins Paznaun mussten verstärkt, Kurven verbreitert und Zugmaschinen für die Steigungen eingesetzt werden. Nach zwei Jahren intensiver Bauarbeiten war es am 21. Dezember 1963 soweit: Die Silvrettabahn wurde eröffnet und war mit einer Länge von 2.800 Metern die längste Seilschwebebahn Österreichs. Dies markierte den Beginn einer Erfolgsgeschichte, die das Dorf grundlegend verändern sollte.

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Die Transformation zur Top-Destination

Die Seilbahn war mehr als nur eine technische Errungenschaft – sie legte den Grundstein für den Aufstieg Ischgls. In den Folgejahren wurde das Skigebiet kontinuierlich ausgebaut. Neue Lifte, moderne Pistenpräparation und innovative Angebote machten Ischgl immer attraktiver.

Parallel dazu entwickelte sich die Infrastruktur im Dorf. Hotels und Pensionen wurden modernisiert, neue Restaurants eröffnet, und Freizeitmöglichkeiten wie Après-Ski wurden geschaffen. Die Einwohner von Ischgl zeigten dabei stets eine außergewöhnliche Bereitschaft, in die Zukunft zu investieren. Gewinne der Silvrettaseilbahn AG flossen kontinuierlich in den Ausbau bestehender und den Bau neuer Anlagen.

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Die Ära des Event-Tourismus

Ein entscheidender Wendepunkt war die Einführung des Event-Tourismus in den 1990er-Jahren. Günther Aloys, der Sohn von Erwin Aloys, erkannte, dass es nicht ausreichte, allein auf Wintersport zu setzen. Er brachte eine neue Idee nach Ischgl: „Top of the Mountain“-Konzerte, die Weltstars in die Tiroler Berge lockten.

Elton John war 1995 der erste Superstar, der vor der imposanten Kulisse auftrat. Der Erfolg war überwältigend: 500 Journalisten berichteten über das Ereignis, und Ischgl war plötzlich international in den Medien präsent. Es folgten weitere Stars wie Tina Turner, Sting, Robbie Williams, Rihanna und Kylie Minogue. Diese Konzerte zogen nicht nur Gäste an, sondern stärkten auch das Image von Ischgl als innovativer und exklusiver Urlaubsort.

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Gemeinschaft und Mut: Das Erfolgsrezept

Hinter dem Erfolg von Ischgl stehen nicht nur Visionäre, sondern auch eine starke Gemeinschaft. Bis heute gibt es 270 Teilhaber der Silvrettaseilbahn AG, die auf Dividenden verzichten, um die Gewinne in neue Projekte zu investieren. Diese gemeinsame Anstrengung hat es ermöglicht, dass Ischgl an der Spitze bleibt.

Doch die Einwohner ruhen sich nicht auf ihrem Erfolg aus. Neue Projekte wie modernste Liftanlagen, Erweiterungen des Skigebiets und ein breites Angebot für Sommerurlauber zeigen, dass Ischgl stets nach vorne blickt. Der Erfolg des Dorfes ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was Visionen, Mut und Gemeinschaftssinn erreichen können.

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